Den meisten Leser:innen dürfte das Autobahnbauprojekt A20 mittlerweile etwas sagen. Daher in aller Kürze: bei der A20 handelt es sich um ein Autobahnprojekt aus den 1960ern, welches eine Ost-West-Verbindung parallel zur Nordseeküste schaffen soll. Im Zuge der DDR-Eingliederung in den 1990er Jahren ist bereits die sog. „Ostseeautobahn“ von Lübeck nach Stettin realisiert wurden, an welche der 120km lange westliche Teil der A20 von Westerstede nach Bad Segeberg nun anknüpfen soll [1]. Aktuell stellt sie das klimaschädlichste Autobahnprojekt im Bundesverkehrswegeplan dar [2].
Für den Bau der „Küstenautobahn“ lobbyieren vor allem die regionalen „Industrie- und Handelskammern“ sowie Logistikunternehmen wie BLG Logistics aus Bremen. Deren Vorstand Michael Blach ist ebenfalls Vorstand des „Fördervereins Pro A20 e.V.“, welcher als Adresse die IHK Bremen und Bremerhaven angibt und dem weitere Vertreter:innen aus Politik (u.a. “Umweltminister” Olaf Lies) und Logistikwirtschaft angehören. Wer sich jedoch detaillierter mit den Details der Autobahn beschäftigen möchte, dem sei an dieser Stelle das Kompendium A20(PDF) von der Initiative A20-Nie! ans Herz gelegt [3].
Hier soll es nun vor allem um den erstarkenden Widerstand der letzten Monate gehen. Vorab sei erwähnt, dass Bürger:inneninitiativen bereits seit Jahren zu dem Thema aktiv sind und mit ihrem umfangreichen Wissen eine große Hilfe für die aktuellen Entwicklungen sind. Im März 2021 bildete sich das Bündnis „Moor bleibt Moor“ (MbM) aus verschiedenen Klimagruppen in der Region, unter anderen uns. Zweck des Bündnisses ist es, den Widerstand rund um die A20 zu vernetzen, denn das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts über den ersten Bauabschnitt zwischen Westerstede und Jaderberg wird voraussichtlich diesen Dezember fallen. Auf eben diesem Bauabschnitt, auf der Wiese eines solidarischen Landwirts, befindet sich aktuell ein Protestcamp von MbM. Obwohl die Kettensägen und Harvester noch gar nicht angerückt sind, hat unsere Anwesenheit den Staat bereits ordentlich verschreckt: mit fadenscheinigen Begründungen versucht das Bauamt des Kreises Ammerland, das Camp räumen zu lassen, indem schlicht so getan wird, als sei das Camp gar keine politische Versammlung und als fielen ein paar Zelte auf einer Wiese unters Baurecht („Brandschutz“ ist wohl erst etwas für fortgeschrittenere Staatsdiener:innen). Gegen diesen Unsinn und gegen die Auflage der Polizeidirektion Oldenburg/Ammerland, dass die Versammlung nur tagsüber als Versammlung gilt, wurden Eilklagen erhoben. Die Eilklage gegen die Räumungsanordnung wurde mittlerweile gewonnen, über die zweite Eilklage wird in den nächsten Wochen entschieden.
Zuvor beunrughigte eine Besetzung der Garnholter Büsche („Garni“) die Staatsmacht so sehr, dass sie den Wald inklusive Einsatz eines Polizeihubschraubers und technischer Einheiten räumen ließ, obwohl die Besetzer:innen sich mit dem Landbesitzer bereits auf einen Rückbau der Besetzung geeinigt hatten [4, 5]. Dem Logistiksektor kommt im globalisierten Kapitalismus eine besonders wichtige Rolle zu: ohne diesen würde die globale Arbeitsteilung zusammenbrechen – und damit die Grundlage des globalen Unterbietungswettbewerbs in Sachen Lohn und Arbeiter:innenrechte. Parallel zu dem Bedeutungsgewinn der Logistik wird es natürlich auch immer wichtiger, den Transport kosten- und zeiteffizient zu organisieren. Dazu kommt die Vermeidung von zunehmend kostenintensiver (Zwischen-)Lagerung von Arbeitsprodukten, welche angesichts immer größer werdender Warenströme an seine Grenzen stößt (Stichwort: Just-in-time-Produktion). Vor diesem Hintergrund muss der anhaltende Ausbau von Straßeninfrastruktur, gerade in einem Transitland wie Deutschland, gesehen werden. Dazu kommen Faktoren wie die Hoffnung von Kommunalpolitiker:innen, durch die Ansiedlung von Gewerbegebieten Steuern in die (klammen) Kassen der Kommunen zu spülen oder die Macht des Automobilkapitals, welches natürlich daran interessiert ist, dass möglichst viele Wege mit PKW oder LKW zurückgelegt werden.
Wie geht der Widerstand gegen die Scheisze konkret weiter? Zum einen veranstalten wir donnerstags ein Infocafé im Alhambra. Der nächste Termin ist voraussichtlich am 5. August. Zum anderen ist es natürlich wichtig, dass Menschen das Wiesencamp in Garnholt mit Material oder direkt vor Ort unterstützen. Außerdem soll vom 06-08.08 ein Festival im Camp stattfinden, markiert euch das Wochenende im Kalender!
Wir wollen diesem Kalkül einen Strich durch die Rechnung machen: Zusammen verhindern wir die A20! Moor bleibt Moor, A20 nie!
Informationen zur Mahnwache/Camp inkl. Materialwunschliste: https://www.a20camp.de/
Informationen zur Waldbesetzung: https://garni.blackblogs.org/